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Die Berchtesgadener Alpen befinden sich in einem klimatischen Übergangsbereich. Das vorherrschende regionale Klima wird vom ozeanischen Klima des Atlantiks und vom kontinentalen Klima Europas und Ostasiens beeinflusst. Im Nationalpark ist das Klima durch eine besonders hohe vertikale, horizontale und zeitliche Variabilität geprägt. Die beträchtliche Höhendifferenz von über 2.000 m und das Geländerelief sind ausschlaggebend dafür, dass die klimatischen Bedingungen auf kleinem Raum sehr stark wechseln.
Neben der Höhenlage beeinflussen Exposition und Hangneigung sowie die Luv- und Lee-Effekte der Gebirgszüge wesentlich die klimatisch relevanten Faktoren wie Temperatur, Niederschlag, Verdunstung, Windströmungen, Strahlungsverhältnisse. Hinzu kommen gebirgstypische saisonal variable Witterungssituationen wie ausgeprägte Berg- und Talwindsysteme, Inversionslagen, Fönwetterlagen, Staulagen und rasche Wetterwechsel. Das langjährige Mittel dieser vielfältigen Wetterzustände aus tageszeitlichen, jahreszeitlichen und kleinräumigen Schwankungen bestimmt das Klima des Nationalparks.
Die Jahresmitteltemperaturen reichen von +7 °C am Königssee bis unter -2 °C in den Gipfelregionen von Watzmann und Hochkalter. Entsprechend verkürzt sich die Vegetationszeit von 160 Tagen in den Talräumen auf unter 60 Tage in den äußersten Hochlagen. Aufgrund seiner Lage am Alpennordrand ist das Gebiet durch insgesamt hohe Niederschläge charakterisiert, die sich in oft anhaltenden Regenfällen im Sommer und lange andauernder Schneebedeckung im Winter äußern. Die mittleren Jahresniederschläge steigen mit der Geländehöhe von 1.500 mm auf 2.800 mm an. Die Dauer der Schneedeckentage in den Talregionen um 600 m ü. NN liegt bei rund 110 Tagen, auf 1.500 m ü. NN steigen die Schneedeckentage auf 200 bis 215 Tage an, über 2.000 m ü. NN werden ca. 270 Tage erreicht. Die maximalen Schneehöhen werden unterhalb 1.000 m ü. NN im Februar, in höheren Lagen im März erreicht. Die Mittelwerte der Schneehöhen schwanken zwischen 50 cm in den untersten Tallagen und drei bis fünf Metern in den Hochlagen des Nationalparks.
Bedingt durch den rasanten Wandel des Klimas auf der globalen wie der regionalen Ebene werden diese Angaben in Zukunft so nicht mehr gültig sein. Während sich die Temperatur an der Erdoberfläche im letzten Jahrhundert global um ca. +0,6 °C erhöhte, wurde in den Alpen im selben Zeitraum eine ca. doppelt so starke Erwärmung mit rund +1,1 °C beobachtet (Smiatek et al. 2009). Dieser räumliche Unterschied der Temperaturentwicklung lässt sich auch in jüngster Vergangenheit feststellen: Der Temperaturanstieg in den letzten 10 Jahren wurde global mit ca. +0,4 °C beziffert (NOAA, 2018), im Nationalpark Berchtesgaden wurden im selben Zeitraum aber weitaus höhere Anstiege verzeichnet – am Watzmanngrat eine Zunahme um +0,98 °C, am Blaueisgletscher sogar um +3,7 °C (Nationalparkverwaltung Berchtesgaden, 2017). Insbesondere am Blaueis wird deutlich, dass sich die Klimaänderungen im Gebirge deutlich extremer auswirken können als in Nichtgebirgsregionen derselben Klimazone. Die verstärkte Temperaturzunahme im alpinen Raum ist auf unterschiedliche Prozesse zurückzuführen, darunter z. B. der Schnee-Albedo-Rückkopplungseffekt (Gobiet et al. 2013). Je geringer die Ausdehnung der sommerlichen Schneefläche, desto mehr verstärken die dunkleren, sich aufheizenden Fels- und Schuttflächen den Abschmelzeffekt in der noch schneebedeckten Umgebung.
Der Wandel des Klimas über lange Zeitspannen (z. B. Eiszeiten) und abrupte Klimawechsel (z. B. durch Vulkanausbrüche) stellen natürliche Einflussgrößen über Jahrmillionen der Erdgeschichte dar. Die seit der Industrialisierung zu beobachtende globale Erwärmung wird jedoch vor allem durch den Menschen verursacht. Dieser anthropogene Klimawandel verläuft sehr rasch und ist nicht abgeschlossen.
Über die Berechnung von Szenarien versucht die Wissenschaft, die künftige Entwicklung modellhaft zu prognostizieren. Die Szenarien des IPCC-AR5 (Intergovernmental Panel on Climate Change (Weltklima-Rat) – Fifth Assessment Report) zeigen für unterschiedliche Rahmenbedingungen (sog. Representative Concentration Pathways – RCP 2.6-8.5), dass bis zum Jahr 2100 ein weiterer globaler Anstieg der Temperatur von im Mittel 1 °C bis 3,7 °C abzusehen ist (IPCC 2014).
In einer Forschungskooperation (Kunstmann et al. 2019) zur Regionalisierung dieser Szenarien wurden für die nähere Zukunft bis 2050 (unter den „gemäßigten Bedingungen“ von RCP 4.5) folgende Entwicklungen modelliert: Für den Nationalpark Berchtesgaden ergeben die Simulationen eine Zunahme der Jahresdurchschnittstemperatur zwischen +0.95 °C und +1.03 °C (für Bayern im Mittel +0.96 °C). Diese Zunahme ist besonders ausgeprägt im Frühling und deutlich geringer in den Herbstmonaten (Frühling +1,5 °C / Sommer +1,0 °C / Herbst +0,5 °C / Winter +1,3 °C). Beim Niederschlag zeigt sich für das Nationalparkgebiet eine Zunahme der Jahressummen zwischen +104 mm und +274 mm (für Bayern im Mittel: +76 mm). Diese Zunahme des Jahresniederschlags ergibt sich jedoch fast ausschließlich durch eine Zunahme des Winter- und Herbstniederschlags, während die Niederschlagsmengen im Sommer und Frühling nahezu unverändert bleiben. Bedingt durch die gleichzeitig steigenden Temperaturen fällt aber weniger Niederschlag in Form von Schnee. Beides führt zu einer deutlichen Abnahme der Schneebedeckungsdauer um -13 Tage im Gebiet, dies vor allem durch eine reduzierte Schneedeckendauer im Frühling und vor allem in den mittleren Höhenlagen (800 - 1300 m ü. NN).
Die veränderte Dynamik von Temperatur, Niederschlägen und Schneebedeckung wird sich in noch nicht voll absehbaren Folgen auf den Wasserhaushalt auswirken. Dies insbesondere, da sich die ohnehin große Heterogenität der Niederschlagsverteilung im Nationalpark wie in Hochgebirgsräumen allgemein durch Extremereignisse weiter verstärken wird. Nach derzeitiger Einschätzung ist davon auszugehen, dass die Schneeschmelze künftig noch früher eintreten und abgeschlossen sein wird. Der seit Jahrzehnten zu beobachtende Massenverlust an Schneefeldern und Firneisflächen ist seit langem ein weiterer Beleg dafür. Da die in Form von Schnee gebundenen Wasserreservoirs weniger lang im Sommerhalbjahr verfügbar sein werden, ist mit weiteren Wirkungsketten zu rechnen. Die Erkenntnisse für diese Zusammenhänge zu steigern ist Gegenstand der Nationalparkforschung.
Ausgehend von diesen Szenarien sind früher oder später eintretende Veränderungen sowohl der abiotischen Lebensbedingungen als auch der Lebensgemeinschaften und ihrer vielfältigen Wechselwirkungen zu erwarten. Insbesondere die Vegetationsperiode als eines der Schlüsselelemente der Ökosystemdynamik unterliegt deutlichen Veränderungen. Im Zeitraum von 1951 bis 2015 zeigt der lineare Trend der Messwerte eine Verlängerung der Vegetationszeit um etwa 15 Tage. Während der letzten 60 Jahre entspricht dies einer mittleren Verlängerung um ca. einen Tag in einem Zeitraum von jeweils vier Jahren (BMU 2017). Dies ist die Folge eines früheren Frühlingsbeginns und eines späteren Winterbeginns und wird über die Zeit zu einer Verlagerung der bisherigen Vegetationszonen horizontal in Richtung der Pole sowie vertikal in größere Höhenstufen führen. Im Nationalpark Berchtesgaden ist aufgrund des großen Höhengradienten von vielfältigen Veränderungsprozessen auszugehen.
An dieser Stelle setzen die Monitoring-Programme und Forschungsfragen des Nationalparks an. Neben einem automatisierten Klimamessnetz, das in hoher räumlicher und zeitlicher Messdichte abiotische Trendentwicklungen dokumentiert, gibt es Langzeitbeobachtungen von Flora und Fauna, die zum Teil deutliche Effekte des Klimawandels zeigen. Dazu gehören zum Beispiel die Zunahme der Artenzahlen in der Gipfelvegetation über einen Zeitraum von 26 Jahren, der sich nicht auf Eutrophierungseffekte zurückführen lässt (Kudernatsch et al. 2016, Fegg et al. 2012), oder der frühere Schwärmbeginn der Borkenkäfer im Frühjahr, der nach 25 Beobachtungsjahren zu einer Vorverlegung des jährlichen Monitorings um zwei Wochen im Jahr 2010 führte. In anderen Bereichen finden sich bisher keine signifikanten Klimawandelsignale, wie beispielsweise im 25-jährigen Quellmonitoring des Nationalparks . Eine Reaktion der Quellen wird vor allem hinsichtlich des Schüttungsverhaltens und der Wassertemperatur erwartet, die aufgrund der (noch) vorhandenen Pufferwirkung der Schneebedeckung möglicherweise zeitverzögert eintritt (Lichtenwöhrer et al. 2019a).